2017 - Faszination Saxophon
Informationsschrift zur Sonderausstellung und Katalog
Texte und Fotos: Dr. Enrico Weller
erschienen in der Instrumentenbauzeitschrift 2/16
Aktuelle Sonderausstellung des Musikinstrumenten-Museums Markneukirchen
ln der 350-jährigen Geschichte des vogtländischen Musikinstrumentenbaus ist das Saxophon ein recht junger Beteiligter. Obwohl Adolphe Sax, der namensgebende Erfinder, sein lnstrument erstmals 1841/42 der Öffentlichkeit präsentierte und es 1846 erstmals patentieren ließ, vergingen Jahrzehnte, bis das in Frankreich populäre lnstrument auch für deutsche Hersteller und Händler von lnteresse war.
Als erste Firma des Vogtländischen Musikwinkels begann Oscar Adler & Co. 1901 mit der Saxophonherstellung. Vorbild war ein 1894 für das Markneukirchner Gewerbemuseum angeschafftes lnstrument aus französischer Produktion. ln den 1920er Jahren zog die Konkurrenz nach, die beiden Holzblasinstrumenten Fabriken G. H. Hüller in Schöneck und die Gebrüder Mönnig in Markneukirchen richteten eigene Saxophonabteilungen ein.
Nachdem die politische Linie des Dritten Reiches für das zu nächst diffamierte "Negerinstrument" einen Platz gefunden hatte - der Ritterschlag erfolgte in den Musikkorps der Luftwaffe - ergänzten bereits bestehende Werkstätten (Clemens Wurlilzer in Wernitzgrün, G. Rudolf Uebel in Wohlhausen) ihr Sortiment um das Saxophon und auch Versandgeschäfte (Eugen Schuster in Markneukirchen, Ernst Hess in Klingenthal ) nahmen die Produktion auf. Der erste ausschließlich auf Saxophone spezialisierte Handwerksbetrieb war Franz Köhler in Markneukirchen, ihm folgten nach 1945 Oswald Wolfram, Martin Reiner und in Breitenfeld Werner Roth.
Vorkriegszeit
Parallel dazu entwickelte sich auch im westböhmischen Graslitz eine leistungsfähige Saxophonerzeugung. 1900 begann dort die Firma V. Kohlert"s Söhne. In den 1920er Jahren folgten die Brüder Julius und Max Keilwerth mit Neugründungen als Saxophonhersteller, während die Metallblasinstrumenten Fabrikanten F. X. Hüller und in den 1930er Jahren Johann Michl & Sohn ihr Sortiment erweiterten. Auch in der Werkstatt Hammerschmidt in Watzkenreuth wurden in den 1930er Jahren Saxophone gebaut.
Einerseits waren die böhmischen Hersteller eine Konkurrenz für das Vogtland, andererseits vertrieben Markneukirchner Händler mit Vorliebe diese "Auslands Erzeugnisse", die sie mit ihren eigenen Gravuren versah.
Im Deutschen Reich hatten sich schon vor 1900 weitere Firmen mit dem Saxophon beschäftigt. Bekannt ist das von Wilhelm Heckel in Wiesbaden-Biebrich und von den Gebrüdern Alexander in Mainz, für die sich das aber mit dem Aufblühen der Saxophonherstellung im Musikwinkel nicht mehr rentierte.
Der zweite Weltkrieg
Hier gab es nach dem Zweiten Weltkrieg einschneidende Veränderungen, die auch den Saxophonbau treffen sollten. Während die ehemaligen deutschen Betriebe aus Graslitz in den Westzonen einen Neuanfang wagten (Kohlert in Winnenden, J. Keilwerth in Nauheim, M. Keilwerth bei Hohner in Trossingen), erfolgte im vogtländischen Musikwinkel eine Konzentration des Saxophonbaus auf einen einzigen volkseigenen Hersteller.
1949, im Gründungsjahr der Deutschen Demokratischen Republik, zählte man immerhin noch 10 Firmen, die als Teil ihres Sortiments oder ausschließlich Saxophone bauten. Zwei davon wurden in den VEB Blechblas- und Signalinstrumenten-Fabrik integriert, der sich ab 1953 am Weltmarkt als industrieller und durchaus konkurrenzfähiger Hersteller großer Saxophonserien etablieren konnte. Die privaten Betriebe wurden mehr oder weniger zum Aufgeben gezwungen, so dass B& S ab 1975 der einzige Saxophonbauer im Musikwinkel blieb. In den besten Jahren stellte man mehr als 6.000 Instrumente der Marken "Weltklang" und "B & S" her, fertigte aber auch sogenannte Stencils unter dem Namen westlicher Kunden.
Der Einbruch nach der Wende
Mit der Wende kam der Einbruch, die Reduzierung der Belegschaft, die Suche nach neuen Partnern wie dem amerikanischen
"Saxophonpapst" Dave Guardala, die Entwicklung neuer Modelle, die in der mittlerweile legendären "Medusa"-Serie ihren
Höhepunkt fand. Dennoch stagnierte der Absatz und 2005 kam das Aus für die ehemalige B&S-Saxophonproduktion.
Doch das war nicht gleichbedeutend mit dem Ende des Saxophonbaus in Markneukirchen. Denn seit 1997 hatte hier die
Nauheimer Firma Keilwerth einen Betriebsteil eingerichtet, der 2001 in das neue Schreiber-Werk ins Markneukirchner
Gewerbegebiet integriert wurde. Dorthin verlegte man 2OO7 die gesamte Keilwerth-Saxophonproduktion, das ursprüngliche
Stammwerk in Nauheim wurde 2010 bei mit der Firmenübernahme durch Buffet geschlossen.
Gegenwärtig sind in Markneukirchen 23 Mitarbeiter der Buffet Group Deutschland GmbH in der Saxophonproduktion beschäftigt, jährlich verlassen ca. 700 lnstrumente das Werk. Als Saxophonreparateur hat sich die Werkstatt von Jürgen Komnick etabliert.
Soweit ein kurzer Abriss zur 115-jährigen Geschichte des Saxophonbaus in Markneukirchen und Umgebung. Ein Ergebnis dieser recht kurzen Zeitspanne ist, dass man die einstige Vielfalt der Saxophonhersteller heute noch anhand erhaltener lnstrumente zeigen kann.
Das ist das Thema der Sonderausstellung, die vom 21. Mai bis 31. Oktober 2017 in dem dafür vorgesehenen Bereich neben der
Stadtgeschichtlichen Ausstellung des Musikinstrumenten-Museums Markneukirchen zu sehen war.
Günter Dullat
Hinter ihr steht federführend Günter Dullat aus Groß-Gerau; der Fachbuchautor und pensionierte Berufsschullehrer ist seit dem Gründungsjahr Mitglied des Markneukirchner Museumsfördervereins. 1994 erschien die erste Auflage seines Buches "Saxophon. Erfindung und Entwicklung einer Musikinstrumenten-Familie und ihre bedeutenden Hersteller". Hier war erstmals ein Überblick über die deutschen Saxophonbauer der Vergangenheit zu finden. Die Arbeiten von Hans Meyers, einst Betriebsarchivar des VEB Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik, bildeten dafür eine wichtige Grundlage.
Seither ist das lnteresse an historischen Saxophonen stark gewachsen, es gibt viele Freunde sogenannter Vintage-lnstrumente, in verschiedenen lnternetforen - auch in dem des Markneukirchner Museums - findet dazu ein reger Gedankenaustausch statt. Deshalb ist es naheliegend, den in Deutschland bzw. im deutschen Sprachraum gebauten Saxophonen endlich eine Sonderausstellung in Markneukirchen zu widmen.
Dank der Anregungen und umfassenden Vorbereitung von Günter Dullat kann man nun ein interessantes und vielseitiges Kapitel deutscher Instrumentenbau-Geschichte zeigen, das zum größten Teil vor Ort geschrieben wurde, also im vogtländischen und westböhmischen Musikwinkel.
Ausgestellt sind 100 sehenswerte und seltene Saxophone, die größtenteils aus Privatbesitz sind. Ein Viertel der lnstrumente kommt aus der Sammlung des Autors und Organisators Günter Dullat, der zahlreiche weitere Sammler zur Mitarbeit gewinnen konnte. lnteressante lnstrumente aus Firmenbesitz (Historisches von Mönnig-Adler und Amati, Aktuelles von Keilwerth und Eppelsheim) sowie zwei Saxophone aus dem Bestand des Berliner Musikinstrumenten-Museums komplettierten das Bild. Nicht fehlen dürfen sieben der 21 Saxophone aus dem Markneukirchner Museumsbestand, die aus heimischen Werkstätten und Fabriken stammen. Aus der Kombination all dieser lnstrumente ergeben sich vielfältige Vergleichsmöglichkeiten, ob es nun das einzelne Detail, z. B. eine patenwurde lnnovation, betrifft oder gar zu neuen Einsichten in die deutsche Saxophonbaugeschichte führt. Bei Stencils, also jenen Instrumente, die von Händlern mit ihren Namen, Trademarks oder diversen Phantasiebezeichnungen versehen wurden, kann dadurch die Zuordnung zum tatsächlichen Hersteller möglich werden.
Zweispachiger Katalog
Um das alles später noch nachvollziehen zu können, wird es wieder einen zweisprachigen Katalog (deutsch, englisch) zur Sonderausstellung geben. Das ist bereits der 6. Band der "Meisterleistungen deutscher Instrumentenbaukunst". Damit dürfte sich diese Publikationsreihe des Markneukirchner Museums endgültig etabliert haben, mit der seit 2008 dafür gearbeitet wird, das immaterielle Kulturerbe des Markneukirchner und des deutschen Instrumentenbaus aufzuarbeiten und in Wort und Bild zu bewahren.
Die Eröffnung der Markneukirchner Sonderausstellungen ist fest in das Rahmenprogramm des Internationalen Instrumentalwettbewerbs integriert und bildet dort den Auftakt zur Museumsnacht am ersten Wettbewerbs-Wochenende. So auch am Samstag, dem 21. Mai 2016. Zur Eröffnung hielt Dr. Manfred Heider, Oberstleutnant beim Zentrum Militärmusik der Bundeswehr Bonn, einen Vortrag zum Thema "Das Saxophon und die deutsche Militärmusik ein wiederkehrendes Akzeptanzproblem." Im Anschluss daran stellte Günter Dullat seine Ausstellungskonzeption vor, dankte allen Helfern, Leihgebern, Coautoren und lud ein zur ersten Ausstellungsführung, die - geleitet vom Kurator - immer etwas Besonderes darstellt.
Neben dem Markneukirchner Fachpublikum, deutschen Saxophonsammlern und Saxophonisten waren auch Gäste aus der Schweiz und aus den Niederlanden angereist. So konnte es an Ort und Stelle zu einem interessanten Gedanken- und Erfahrungsaustausch kommen, im wahrsten Sinne des Wortes sprach man von einer "saxophonischen Museumsnacht".
Die musikalische Umrahmung übernahm zum einen das Klingenthaler Saxophonquartett, welches während der Museumsnacht wiederholt seinen Auftritt hatte. Zum anderen sorgte der Berliner Saxophonist und Herausgeber Frank Lunte für einen besonderen Akzent. Ergänzend zu Dr. Heidlers Vortrag interpretierte er auf einem historischen G.- H . Hüller-Saxophon die Solosonate von Werner Wolf Glaser. Ein außergewöhnliches Werk der 1930er Jahre fur Saxophon, denn es gibt aus dieser Blütezeit des klassischen Saxophons kaum Solo-Stücke deutscher Komponisten. Glaser emigrierte bereits im April 1933 über Frankreich nach Dänemark, wo er 1936 die "Solosonat för altsaxofon" komponierte, die im gleichen Jahr durch den ebenfalls 1933 emigrierten Sigurd Rascher uraufgeführt wurde. Mit diesen musikalischen Momentaufnahmen und dem Einblick in die Militärmusikgeschichte gelang es, die besondere Spezifik und auch das Dilemma der Saxophonmusik in Deutschland in den 1930er Jahren einzufangen. Dass sich dies in besonderer und innovativer Weise auf den lnstrumentenbau auswirkte, belegen die vielfältigen Saxophonmodelle vogtländischer und Graslitzer Hersteller gerade dieses Jahrzehnts.